Digitalisierungsinitiativen in österreichischen Unternehmen haben zuletzt deutlich an Schubkraft verloren. Experten diskutieren, wie man digitale Transformation richtig betreibt.
Unsere Experten:
– Michael Frank, Lead of Global Practice Transformation Consulting bei Nagarro
– Tobias Kreiter , Line of Business Manager Supply Chain Management, scc EDV-Beratung AG
– Christoph Hammer-Dumont , Head of Finance, Telco and Service Industries bei Tietoevry
– Michael Esterl , COO bei [unit]IT
– Ivo Titscher , Managing Director, ByteSource Deutschland
– Moderation: Wolfgang Franz, ITWELT
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Dauer: 01:32:42
Inhalt:
Management Summary – Roundtable „Digitale Transformation“ (IT-Welt)
Ausgangslage & Definitionen
Digitalisierung ≠ Digitale Transformation
Digitalisierung: Prozesse von analog auf digital umstellen.
Transformation: Geschäftsmodelle, Kultur, Organisation und Wertschöpfung neu denken.
Status quo:
Große Unternehmen meist weiter fortgeschritten, KMU oft zurückhaltend → Kostendruck & Fachkräftemangel bremsen.
Pandemie beschleunigte einzelne Aspekte (Homeoffice, Tools wie Teams, VPN), aber keine flächendeckende Business-Transformation.
Treiber & Hemmnisse
Treiber:
Pandemie → Remote Work als Katalysator.
Wettbewerbsdruck & Effizienzsteigerung.
KI & Cloud als Enabler neuer Geschäftsmodelle.
Nachhaltigkeit & Regulatorik (z. B. Lieferkettengesetz, ESG).
Hemmnisse:
Budgetstopps in Krisenzeiten („eigentlich müsste man gerade dann investieren“).
Angst vor Veränderung / Widerstände in Organisationen.
Hohe Abhängigkeit von Führungskräften → fehlender strategischer „Pull“.
KMU sehen Digitalisierung oft noch primär als Kostenfaktor.
Cloud & KI
Cloud:
Heute weitgehend akzeptiert, Diskussion um Sicherheit hat sich beruhigt.
Vorteile: Skalierung, Geschwindigkeit, Kollaboration über Grenzen hinweg.
Herausforderung: Migration großer ERP-Systeme, Individualisierungen vs. Standardisierung.
Kritikpunkt: Fehlende große europäische Hyperscaler.
Künstliche Intelligenz:
Ein „Gamechanger“ wie einst PC & Cloud – „KI wird wie Wasser sein, überall“.
Potenziale: Effizienzsteigerung, Just-in-Time-Learning, neue Services.
Aktueller Stand: Viele Proof of Concepts, noch wenig strukturierte Business Cases.
Große Softwareanbieter integrieren KI standardmäßig (z. B. Microsoft Copilot).
Fachkräftemangel
Größtes Hemmnis in Österreich (besonders in Oberösterreich).
Konsequenzen:
IT-Mitarbeitende können sich Arbeitgeber aussuchen, „Unternehmen müssen sich bei Bewerbern bewerben“.
Steigende Kosten & Verlangsamung von Projekten.
Lösungsansätze:
Duale Ausbildung (Lehre in IT-Berufen), Coding-Schwerpunkte.
Mehr Frauen in die Technik bringen.
Mitarbeiterbindung & Weiterbildung forcieren.
Nutzung von Near- & Offshore-Teams, zunehmend gleichwertig integriert.
Organisation & Kultur
Transformation = People Business:
Technologie ist Enabler, aber der „Human Factor“ entscheidet.
Widerstände entstehen aus Angst, Unsicherheit oder fehlendem individuellem Nutzen.
Erfolgsfaktor: Menschen mitnehmen, Nutzen klar kommunizieren, Beteiligung ermöglichen.
Chefsache oder Teamsache?
Digitalisierung kann fachbereichsgetrieben sein.
Transformation (inkl. Geschäftsmodell-Änderung) muss Management-getrieben sein.
Aber: Es braucht „neugierige Menschen“ auf allen Ebenen, nicht nur an der Spitze.
Neue Organisationsmodelle:
Netzwerkstrukturen statt Hierarchien.
Kombination von Generalisten (Architektur, Überblick) und Spezialisten (Tiefe).
Zunehmende Verzahnung globaler Teams.
Nachhaltigkeit
IT & Nachhaltigkeit untrennbar:
Cloud durch Skaleneffekte oft energieeffizienter.
Weniger Dienstreisen/Homeoffice → messbarer CO₂-Effekt.
Neue ERP-Tools (z. B. SAP „Green Ledger“) ermöglichen CO₂-Transparenz.
Soziale Nachhaltigkeit:
Transparenz in Lieferketten durch digitale Lösungen (Compliance, Menschenrechte).
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Strategie entwickeln – digitale Transformation als Management-Aufgabe mit klarer Vision.
Pragmatisch starten – kleine, greifbare Use Cases oder POCs, aber mit Perspektive auf Skalierung („klotzen statt kleckern“).
Kultur pflegen – Neugier fördern, Widerstände ernst nehmen, Nutzen kommunizieren.
Fachkräftemangel aktiv adressieren – Ausbildung, Frauenförderung, internationale Teams.
Cloud & KI als Enabler nutzen – aber mit klarer Zieldefinition („Welches Problem lösen wir?“).
Nachhaltigkeit integrieren – nicht nur ökologisch, sondern auch sozial & regulatorisch.
Fazit
Digitale Transformation ist kein Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Sie gelingt nur, wenn:
Technologie & Business Hand in Hand gehen,
Menschen & Kultur im Mittelpunkt stehen,
Führung klare Richtung gibt,
und Unternehmen die Chance von Krisen & neuen Technologien aktiv nutzen.